Unser Schreiben zum Lieferkettengesetz haben wir im März den Bundestagsabgeordneten unseres Wahlkreises zukommen lassen. Frau Ingrid Arndt-Brauer (SPD) haben wir es öffentlich überreicht, an Herrn Jens Spahn (CDU) wurde es geschickt. (Siehe dazu die Berichte hier im Archiv vom 17. 3. und vom 26. 3.)
Von Frau Arndt-Brauer ist unsere Stellungnahme an das zuständige Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geleitet worden, die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Flachsbarth sandte uns ein Schreiben dazu.
Von Herrn Benjamin Kappelhoff, Büroleiter von Jens Spahn, erhielten wir ein Antwortschreiben.
Die Antworten aus dem Ministerium und aus dem Büro von Jens Spahn hier:
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Dr. Maria Flachsbarth, MdB - Parlamentarische Staatssekretärin
Dienstsitz Berlin, 11055 Berlin
Mitglied des Deutschen Bundestags Frau Ingrid Arndt‐Brauer
Platz der Republik 1 10117 Berlin
Ihr Schreiben vom 22.03.2021
Berlin, 07.04.2021
Sehr geehrte Frau Kollegin,
auch im Namen von Bundesminister Dr. Gerd Müller möchte ich mich für die
Übersendung der Petition der Arbeitsgemeinschaft Solidarische Welt e.V.
bedanken. Herr Minister Dr. Müller hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Mit dem nun vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf des
Sorgfaltspflichtengesetzes ist ein wichtiger Schritt für die Stärkung der
Menschenrechte entlang globaler Lieferketten getan.
Die Verabschiedung des Gesetzes noch in dieser Legislaturperiode wäre ein
großer Erfolg für die Menschen in Entwicklungsländern und ein großer
Erfolg für alle, die sich hierzulande für weltweite Menschenrechte einsetzen.
Dazu gehören auch die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich in der
Arbeitsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. seit Jahren für dieses Thema
engagieren.
Der Entwurf, den die Bundesregierung in den Bundestag einbringen wird,
ist aus meiner Sicht ein guter Kompromiss.
Der Status quo im zivilrechtlichen Haftungsrecht wird durch den Entwurf
nicht verändert. Allerdings sieht der Entwurf eine Prozessstandschaft vor.
Sie wird es Betroffenen, insbesondere aus Entwicklungsländern,
ermöglichen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen zur
Vertretung ihrer Rechte in Verfahren vor deutschen Gerichten zu
ermächtigen. Die Durchsetzung der Rechte der Betroffenen wird damit auf
sehr pragmatische Weise erheblich gestärkt.
Der Entwurf sieht zudem eine starke behördliche Durchsetzung vor. Bei
Verletzung der Sorgfaltspflichten drohen Bußgeldstrafen und in
schwerwiegenden Fällen der Ausschluss von der öffentlichen Beschaffung.
Auch der Umweltschutz ist im Entwurf des Sorgfaltspflichtengesetzes
erfasst, soweit Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen
können. Der Gesetzentwurf ist damit ein wichtiger Schritt und ein Signal für
die Stärkung auch von Umweltschutz in Lieferketten.
Der Entwurf nimmt zudem die gesamte Lieferkette in den Blick. Die
Lieferkette bezieht sich auf alle Produkte und Dienstleistungen eines
Unternehmens und umfasst alle Schritte im In‐ und Ausland, die zur
Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen
erforderlich sind, angefangen bei der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zu
der Lieferung an den Endkunden.
Dabei sind menschenrechtliche Risiken im eigenen Geschäftsbereich der
Unternehmen und im Geschäftsbereich der unmittelbaren Zulieferer immer
verpflichtend zu analysieren und es müssen Präventions‐ und
Abhilfemaßnahmen ergriffen werden, wenn ein Verstoß festgestellt wird.
Bei mittelbaren Zulieferern sind anlassbezogen Maßnahmen zu ergreifen.
Dort, wo Handeln geboten und möglich ist, wird es künftig also auch
vorgeschrieben sein.
Das Gesetz gilt zunächst ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ab 2024 dann ab 1.000 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern.
Danach wird eine gesetzlich vorgeschriebene Evaluierung durchgeführt, um
zu prüfen, ob eine Anpassung des Anwendungsbereichs sinnvoll ist. Bereits
vorher wird das Gesetz eine wichtige Signalwirkung auch für kleinere
Unternehmen entfalten. Viele mittelständische Unternehmen nehmen ihre
Verantwortung in diesem Bereich schon heute sehr ernst.
Mit freundlichen Grüßen
gez: M Flachsbarth
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Benjamin Kappelhoff, Büroleiter
Büro Jens Spahn MdB Bundesminister für Gesundheit
Platz der Republik 1 11011 Berlin
Sehr geehrte Frau Hemker,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 19.03.2021.
Das Bundeskabinett hat am 3. März 2021 den Entwurf eines "Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten" beschlossen. Dieses kurz als „Sorgfaltspflichtengesetz“ oder „Lieferkettengesetz“ bezeichnete Gesetz soll in Erfüllung des Koalitionsvertrages Rechtsklarheit für die Wirtschaft schaffen und die Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette der Unternehmen stärken.
Wichtig sind für uns folgende Ziele: Das Sorgfaltspflichtengesetz muss wirksam sein für die Menschenrechte. Aber es muss auch umsetzbar sein für die Wirtschaft, darf nicht Dinge fordern, die Unternehmen nicht leisten können. Denn es ist wichtig, dass die Bestimmungen im Gesetz nicht entwicklungspolitisch gewünschte, verantwortlich gestaltete Handels- und Investitionsbeziehungen mit Entwicklungsländern erschweren.
Durch das Gesetz sollen in Deutschland ansässige Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtet werden, ihrer Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte durch die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten besser nachzukommen. Dadurch sollen zum einen die Rechte der von Unternehmensaktivitäten betroffenen Menschen in den Lieferketten gestärkt, zum anderen den legitimen Interessen der Unternehmen an Rechtssicherheit und fairen Wettbewerbsbedingungen Rechnung getragen werden.
Uns erreichen zu dem Gesetzentwurf zahlreiche Eingaben. Während einigen das Gesetz zu weit geht, empfinden andere es als nicht streng genug. Inkrafttreten kann das Gesetz erst nach Beschlussfassung durch den Deutschen Bundestag. Dort wird das Gesetz im Frühjahr unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung beraten.
Gelegentlich wird vorgetragen, dass die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen in der Verbändeanhörung zu kurz geraten sei. Doch gab es einen relativ langen Vorlauf für den Einigungsprozess zum Gesetzentwurf. Daher waren die Diskussionslinien und kritischen Punkte so bekannt, dass einerseits Verbände, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen ihre Stellungnahmen rechtzeitig vorbereiten, andererseits deren Positionen bereits im Erarbeitungsprozess des Entwurfs berücksichtigt werden konnten. Gleichwohl haben wir die Bundesregierung gebeten, den Verbänden regelmäßig einen großzügigeren Zeitrahmen für die Abgabe von Stellungnahmen einzuräumen. Unabhängig davon findet aber im Gesetzgebungsverfahren eine Anhörung statt. Die bei uns eingegangenen Eingaben werden ebenfalls darauf hin geprüft, ob Änderungen sinnvoll und machbar sind.
Dem Gesetzentwurf liegt eine Einigung der Koalition zugrunde, die in langen Verhandlungen zwischen den Ministerien getroffen wurden. Konkret sieht die Einigung folgende Regelungen vor:
Das Gesetz soll ab 2023 verbindlich für große Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten in Deutschland (ca. 600 Unternehmen) gelten, und ab 2024 dann für alle Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in Deutschland (ca. 2.900 Unternehmen).
Die Verantwortung der Unternehmen erstreckt sich zwar auf die gesamte Lieferkette, wobei aber die Unternehmensverantwortung nach dem Grad der Einflussmöglichkeit abgestuft ist. Die Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt gelten zunächst für den eigenen Geschäftsbereich der Unternehmen selbst, sowie für ihre unmittelbaren Zulieferer. Menschenrechtsrisiken bei mittelbaren Zulieferern, d.h. in den tieferen Gliedern der Lieferkette, müssen nur analysiert und adressiert werden, wenn Unternehmen darüber substantiiert Kenntnis erlangen.
Im Vordergrund des Gesetzes steht die Stärkung die Rechte der Menschen in der Lieferkette. Im Entwurf des Sorgfaltspflichtengesetzes ist aber auch der Umweltschutz erfasst, soweit Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen können. Zudem werden umweltbezogene Pflichten etabliert, die sich aus zwei internationalen Abkommen zum Schutz vor den Gesundheits- und Umweltgefahren durch Quecksilber und langlebige organische Schadstoffe ergeben.
Künftig sollen Betroffene sich vor deutschen Gerichten von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften vertreten lassen und sie zur Prozessführung ermächtigen können, wenn sie sich durch einen Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfaltspflicht in überragend wichtigen Rechtspositionen verletzt sehen (Prozessstandschaft).
Für die Durchsetzung der gesetzlichen Anforderungen soll eine Kontrollbehörde sorgen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bekommt hierfür ein Mandat, die Wirtschaft mit konkreten Informationen für die Umsetzung zu unterstützen und gleichzeitig Kontrollinstanz zu sein. Sie wird entsprechend mit personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet. Die Behörde kann bei Verstößen geeignete Buß- und Zwangsgelder verhängen. Der Bußgeldrahmen reicht bei schweren Verstößen bis zu 2 Prozent des weltweiten Konzernumsatzes. Je nach Art des Verstoßes kann das Unternehmen ab einer Geldbuße von 175.000 Euro von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden.
Unser Ziel bleibt weiterhin eine möglichst zügige Verständigung auch in der Europäischen Union auf einen entsprechenden europäischen Rechtsrahmen. Sowohl das Europäische Parlament wie auch die Europäische Kommission arbeiten bereits daran. Es muss dann das Ziel sein, die rechtlichen Anforderungen an die unternehmerische Sorgfaltspflicht klug zu harmonisieren.
Den weiteren parlamentarischen Beratungen im Deutschen Bundestag kann an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden. Das Vorhaben soll zwar noch in dieser Legislatur vor der Sommerpause abgeschlossen werden, doch stehen die Beratungen in Fraktion und Koalition im parlamentarischen Verfahren noch am Anfang. Konkrete Ergebnisse oder Änderungen können derzeitig nicht in Aussicht gestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Kappelhoff